corporAID MagazinP.B.B. VERLAGSPOSTAMT 1040 WIEN 13Z039704 MAUSGABE 75 Õ MAI | JUNI 2018CORPORAID IST EINE INITIATIVE VONDAS ÖSTERREICHISCHE MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, ENTWICKLUNG UND GLOBALE VERANTWORTUNGÄthiopien: Fabriken für das Wachstum Strabag-Chef Thomas Birtelim InterviewInsekten: Nahrungsmittel der Zukunft?Hilfe von obenDrohnen entwickeln sich rasant weiter – nicht nur im Hinblick auf ihre Technik, sondern auch auf ihre Einsatzmöglichkeiten. Insbesondere in Entwicklungsländern liefern fl iegende Roboter heute immer öfter Blutbeutel aus, verfolgen Wilderer und pfl anzen sogar Bäume.Die Welt ist in Aufruhr, alte Konfl iktherde lodern auf, neue Wirtschaftsmächte erheben sich, der Klimawandel stellt uns vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Seit 170 Jahren schreiben wir über Ereignisse und Entwicklungen, die uns alle betreff en und bewegen. Wir informieren, analysieren, kommentieren und geben Denkanstöße. Was auch kommt, wir schreiben weiter – DiePresse.comWirschreibenweiterAlle Inhalte, digital und gedruckt:Jetzt 3 Wochen testenDiePresse.com/testenBeim corporAID Magazin ging es uns von Anfang an auch darum, das Bild von Afrika als Kontinent der Katastro-phen zurecht zu rücken. Und zu zeigen, wie marktbasierte Zugänge zur Lösung der sozio-ökonomischen Heraus-forderungen des 21. Jahrhun-derts beitragen können. Lesen Sie ab Seite 32, wie Drohnen gerade in Entwicklungslän-dern Neues möglich machen – Stichwort: leap frogging. Wie weit sich Äthiopien von dem wegentwickelt hat, was wir noch vor 20 Jahren mit dem Land assoziiert haben, lesen Sie ab Seite 24. Ab Seite 16 erfahren Sie, wie Unterneh-men weltweit in das Geschäft mit Speiseinsekten einsteigen und damit helfen, die Welt-ernährung zu sichern. Wie schwierig es oft ist, kontinent-übergreifende Lösungen für globale Probleme zu fi nden, zeigt der Beitrag zu Elek-troschrott ab Seite 12. Die Welt wird besser – siehe auf Seite 38 die Rezension zu Hans Roslings posthum erschie-nenem Werk „Factfulness“. Im großen Interview diesmal Strabag-CEO Thomas Birtel. Eine anregende Lektüre! EditorialBERNHARD WEBERWirtschaft gestaltet Globalisierung.Und damit die Welt von morgen.Unternehmen schaffen Wohlstand.Und damit die Basis für Entwicklung.corporAID bewegt Unternehmen.Damit globale Armut von gestern wird.Unternehmen unterstützen corporAID:corporAID Magazin Mai | Juni 201803IMPRESSUM Medieninhaber: ICEP Wirtschaft & Entwicklung GmbH, Möllwaldplatz 5, 1040 Wien, Tel. 01-9690254, offi ce@corporaid.at, www.corporaid.at, www.icep.atHerausgeber: Bernhard Weber | Chefredakteur: Christoph EderGrafi k: Mihai M. MitreaRedaktion: Katharina Kainz-Traxler, Sophie Langer-Hansel, Frederik Schäfer, Ursula Weber, Gudrun ZimmerlAnzeigen: Nina Bennett, n.bennett@icep.atDruck: Styria GmbH & Co KG; Aufl age: 73.000 StückAbobestellung: abo@corporaid.atBLATTLINIE Als von politischen Parteien, Interessensvertretungen und Institutionen un-abhängige Initiative vertritt corporAID die Auffassung, dass wirtschaftliche Entwicklung eine entscheidende Grundlage von Armutsminderung und daher Globalisierung eine Chance für globale Entwicklung ist. Das corporAID Magazin möchte für globale Armutsbe-kämpfung etwas bewegen, indem es fundiert und sachgerecht zentrale Fragestellungen der Globalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft beleuchtet, zum Verstehen des Zusam-menwirkens von Wirtschaft und Entwicklung beiträgt und die mit einer nachhaltigen Ge-staltung der Globalisierung verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chan-cen in den Horizont der österreichischen Wirtschaft rückt. corporAID bekennt sich zu den Grundsätzen der Meinungsfreiheit, der sozialen Gerechtigkeit, der öko-sozialen Markt-wirtschaft, des gegenseitigen Respekts sowie der Eigenverantwortung des Menschen.Die corporAID Ausgabe Juli | August 2018 erscheint am 28.6.2018 in der Tageszeitung Die Presse.MIT UNTERSTÜTZUNG VONEINE INITIATIVE VONPARTNER DER CORPORAID INITIATIVEBMF/fotoliaArbeitnehmerveranlagung zahlt sich ausIhr Gehalt kann über ein Jahr gese-hen aus unterschiedlichsten Gründen variieren (z. B. Jobwechsel, Reduzie-rung der Stundenanzahl). Die Lohn-steuer wird aber monatlich berech-net – so, als würden Sie das ganze Jahr über gleich viel verdienen. Zählt man jedoch die unterschiedlichen Löhne bzw. Gehälter zusammen und berechnet dann die Steuer, kommt oftmals ein Guthaben heraus. Außerdem können Sie in der Arbeit-nehmerveranlagung Folgendes gel-tend machen, wodurch sich ebenfalls Steuer zurückholen lässt: ¯Werbungskosten: z. B. Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, Arbeitsmittel ¯Sonderausgaben: z. B. Wohnraum-schaffung und Wohnraumsanierung ¯außergewöhnliche Belastungen: z. B. KrankheitskostenHolen Sie sich mit der Arbeitnehmerveranlagung – auch Steuer- oder Jahresausgleich – jenen Teil der Lohnsteuer zurück, den Sie zu viel bezahlt haben. Es lohnt sich.Alle Details dazu ¿QGHQ6LHLQXQserem aktuellen Steuerbuch unter www.bmf.gv.at > Publikationen. So holen Sie sich Ihr Geld zurückAm einfachsten können Sie Ihre Arbeitnehmerveranlagung auf ZZZ¿QDQ]RQOLQHDW machen. Alle 'HWDLOV]X)LQDQ]2QOLQH¿QGHQ6LHin unserer Infobox. Sie können das entsprechende Formular (L 1, L 1k, L 1i, L 1ab, L 1d) aber auch händisch ausgefüllt an das Finanzamt schicken oder direkt dort abgeben. Sobald Ihr Arbeitgeber den Lohnzet-tel und Organisationen bestimmte Sonderausgaben für das abgelaufene Jahr an das Finanzamt übermit-telt haben – in der Regel bis Ende Februar des Folgejahres – können wir mit der Bearbeitung Ihrer einge-brachten Arbeitnehmerveranlagung beginnen, vorher nicht. Die Reihen-folge der Bearbeitung richtet sich nach dem Datum des Einlangens.Einfach automatisch: Antrags-lose ArbeitnehmerveranlagungUnter bestimmten Voraussetzungen erfolgt die Arbeitnehmerveranlagung automatisch durch Ihr Finanzamt. $OOH,QIRVGD]X¿QGHQ6LHXQWHUwww.bmf.gv.at/aanv.Ihr Vorteil: Ihre ArbeitnehmerveranlagungFinanzOnlineMit ein paar Klicks Geld zurückAm einfachsten können Sie Ihre Arbeitnehmerver-anlagung mit FinanzOnline machen. Ihre Vorteile auf einen Blick: ¯Kostenlose Anwendung rund um die Uhr ¯Amtsweg per Mausklick bequem von jedem Internetzugang ¯Einfache Änderung Ihrer personenbezogenen Grunddaten ¯Aktuelle Abfragen Ihres Steuerkontos und Steueraktes ¯Bescheidzustellung in die Databox, Ihren persönlichen elektronischen Briefkasten ¯Anonyme SteuerberechnungEntgeltliche EinschaltungDas Steuerbuch2018.Tipps zur Arbeitnehmerveranlagung 2017 Machen Sie Ihre Arbeitnehmer-veranlagung bis zu 5 Jahre im Nachhinein!Inhalt05corporAID Magazin Mai | Juni 2018INTERVIEW MIT THOMAS BIRTELZu viel Wachstum für neue MärkteLEITARTIKEL Neuer FokusDIE AKTUELLE ZAHL 54EVENTS IM RÜCKBLICKTERMINE & NACHLESEglobal.businessELEKTROSCHROTT 55 Milliarden Euro SchrottSPEISEINSEKTENSuperfood mit Imageproblemnew.business NEUE MÄRKTEMade in EthiopiaINTERVIEW MIT IRENE YUAN SUNAbsoluter Einsatzethical.businessGOOD PRACTICE Wer Österreich bewegtDROHNEN FÜR ENTWICKLUNGFlotter Service aus der LuftUN GLOBAL COMPACTPhase II für den globalen PaktWIRTSCHAFTSPARTNERSCHAFT Business Software für den Kosovo 6101028381112162122262930323536Flotter Service aus der Luft Drohnen werden häufi g als Waffen oder als Spielzeug gesehen. Unbemannte Flugobjekte steigen jedoch auch im humanitären und ökologischen Auftrag in die Lüfte. 32SPEISEINSEKTENSuperfood mit ImageproblemINTERVIEW MIT THOMAS BIRTELZu viel Wachstum für neue MärkteNEUE MÄRKTEMade in EthiopiaAlle Inhalte fi nden Sie auch auf www.corporAID.at6162206Zu viel Wachstum für neue MärkteInterviewCORPORAID: Was verbinden Sie mit Globalisierung?THOMAS BIRTEL: Ich verbinde mit Globalisierung vor allem Bewegung. Das Aufl ösen von geografi schen Grenzen in den drei Feldern Produk-tion, Produkte und Menschen ist für mich dabei das Typische. Wir kaufen Produkte aus der ganzen Welt und exportieren sie in die ganze Welt. Das bedeutet natürlich, dass man einem intensiveren Wettbewerb ausgesetzt ist – mit einer Vielzahl neuer Wettbewerber. Dadurch ist Globalisierung mitunter negativ besetzt, denn es entsteht eine Sorge um Arbeitsplätze oder um das Lohnniveau, weil wir mit Märkten konkurrieren, wo deut-lich niedrigere Löhne gezahlt werden. Wie sehen Sie die Rahmen-bedingungen in Österreich für ein international tätiges Unternehmen?BIRTEL: Natürlich wird gerne ein wenig geraunzt, und dafür gibt es auch Gründe, aber insgesamt sind die Rahmenbedingungen schon okay. Das beginnt bei der Lebens-qualität und der Sicherheit, aber auch wenn ich an den Standort-faktor Steuer denke, gibt es für ein Unternehmen wie die Strabag, das neben dem operativen Geschäft auch eine Holding-Funktion hat, durchaus schlechtere Standorte.Wie beurteilen Sie die Wirtschaftslage?BIRTEL: Insgesamt zurzeit wirk-lich sehr gut. Ich bin schon lange Thomas Birtel, CEO des STRABAG SE-Konzerns, ringt angesichts des Baubooms in Deutschland und Österreich um Ressourcen für ein Wachstum in außereuropäischen Märkten. DAS GESPRÄCH FÜHRTE BERNHARD WEBER.im Konzern tätig und kann mich nicht erinnern, dass sich so viele unserer Märkte – darunter die bei-den wichtigsten, Österreich und Deutschland – gleichgerichtet in eine positive Richtung entwickeln. Das liegt auch am Finanzumfeld, denn die Abwesenheit von Zinsen in der Eurozone führt gerade in unse-rem Sektor dazu, dass wir eine der wenigen alternativen Anlageformen produzieren, die halbwegs rentabel sind. Die Flucht privater Investoren in Beton ist ja geradezu sprich-wörtlich und zeigt, woher die Impulse kommen. Gleichzeitig ist Ver-schuldung für die Staa-ten viel günstiger als in der Vergangenheit, was dazu führt, dass auch sehr kostenträch-tige Infrastrukturmaß-nahmen leichter angegangen und fi nanziert werden können. Wo liegen die neuen Wachstums-märkte für die Strabag?BIRTEL: Im Moment liefern unsere traditionellen Märkte so viele Wachstumsimpulse, dass uns für neue Märkte fast die Ressourcen fehlen. Bestes Beispiel ist Deutsch-land: eigentlich ein alter, reifer Bau-markt. Im Moment aber ist das Land durch die großen Rückstände, die es vor allem im Westen bei der Infra-struktur gibt, ein ausgesprochener Wachstumsmarkt mit zweistelligem Plus – diese Dynamik kennen wir sonst nur aus exotischeren Märkten. Wobei diese für uns mit etwa sechs Prozent Leistungsanteil traditionell Die Flucht privater Investoren in Beton ist ja gera-dezu sprichwörtlich und zeigt, woher die Impulse kommen.T. BIRTELÅeine untergeordnete Bedeutung haben. 2014 haben wir uns im Vor-stand noch das Ziel gesetzt, den Anteil außerhalb Europas zweistel-lig zu machen. Das ist das einzige Ziel, von dem wir uns verabschie-den mussten. Zum einen haben sich die Märkte nicht so entwickelt wie erhofft, vor allem der Mittlere Osten ist ausgesprochen zurück-haltend bei der Vergabe neuer Auf-träge. Zum anderen haben sich eben unsere Heimatmärkte stärker entwi-ckelt. Daher sind wir bei den sechs Prozent geblieben – nur haben sich diese geografi sch verschoben. Wir haben große neue Aufträge in Süd-amerika bekommen, vor zwei Jahren etwa das erste große privat-öffentli-che Projekt in Kolumbien, das sich jetzt in der Ausführung befi ndet. Wie sehen Sie die Baubranche als Motor für Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern? BIRTEL: Das ist ein spannendes Thema, wie wir in Kolumbien haut-nah gespürt haben. Kolumbien ist für uns ein interessanter Markt gewor-den, weil das Land zu einem stabi-len und sicheren Umfeld zurückge-funden hat. Ein ganz wesentlicher Bestandteil des Friedensprozesses ist die Verpfl ichtung der Regierung, Infrastruktur in bisher unerschlos-sene Landesteile zu bringen – und dadurch auch Fortschritt und Wohl-stand. Die Autobahn, die wir zwi-schen Medellín und der Küste als Teil dieses Regierungsprogramms bauen, zeigt also sehr schön, wie eng Infrastruktur und Wohlstand zusammenhängen. Ich denke, corporAID Magazin Mai | Juni 201807THOMAS BIRTEL ist seit 2013 Vorstandsvorsitzender der Strabag SE. Der 63-jährige Wuppertaler ist promovierter Wirtschaftswissenschafter und begann seine berufl iche Laufbahn beim deutschen IndustrieanlagenbauerKlöckner. 1989 wechselte er in die Geschäftsführung des schwedischen Logistikkonzern Frigoscandia. 1996 stieß Birtel zur Strabag, wurde 2002 in den Vorstand der deutschen Strabag AG in Köln und 2006 zusätzlich in den Vorstand der Strabag SE berufen.FOTO: MIHAI M. MITREAdass man sich beim Thema globale Entwicklung insgesamt stärker engagieren sollte. Nicht zuletzt angesichts der Flüchtlingsthema-tik: Wir sehen heute, was passiert, wenn die Lebensverhältnisse in bestimmten Ländern unerträglich werden. Wir haben beispielsweise ein Berufsbildungszentrum für Bauberufe in Moldawien gestartet. Dort bauten wir zuvor schon Stra-ßen und merkten, dass es praktisch keine lokalen Fachkräfte gibt. Und da haben wir gesagt, dass es auch in unserem eigenen Interesse ist, wenn es künftig so eine Ausbildung in dem Land gibt. Auch wenn über-wiegend andere davon profi tieren. Sie haben auch in Kenia eine Auto-bahn errichtet. Wo liegen die Heraus-forderungen in Entwicklungsländern? BIRTEL: Die erste Herausforde-rung ist es, solche Aufträge über-haupt zu bekommen, und das wurde zuletzt zunehmend schwieriger. Das gilt nicht nur für uns, das gilt für alle europäischen Player. Denn hier gibt es einen klaren Trend zum chi-nesischen Mitbewerb. Von den zehn größten Baukonzernen der Welt ist die Hälfte chi-nesisch – die kennt nur niemand, weil sie über-wiegend in China tätig sind und eben in Afrika. Die Chinesen haben strategisch sehr eindrücklich versucht, Rohstoffe zu erschließen, indem sie Produkte und ganze Pro-duktionsstätten gegen Bauwerke getauscht haben. Da ist der Bau dann oftmals nur ein Mittel zum Zweck, und deswegen sind viele afrikani-sche Märkte an chinesische Bauun-ternehmen gefallen. Welche Erfahrungen haben Sie in diesen Märkten gemacht? BIRTEL: Es gibt immer wieder technisch anspruchsvolle Bauvor-haben, bei denen wir mit unserer Expertise punkten können. Solche Bauwerke sind zudem nicht sehr personal-intensiv, weswegen unser Personalkostennachteil nicht so gra-vierend ist. Das Thema Compliance ist für uns sehr wichtig. Da hilft es auch, dass wir uns auf seriöse international fi nanzierte Projekte konzentrieren, weil dann auch die Finanziers größten Wert darauf legen, dass die Projekte sauber abge-wickelt werden. Ich sehe aber, dass man inzwischen auch einen mittel-fristigen Qualitätsaspekt erkennt: Dass also beispielsweise eine Straße in Kenia, die von der Strabag gebaut wurde, nach einigen Jahren bes-ser aussieht als eine Straße, die von einem außereuro-päischen Mitbewerber gebaut wurde – um es neutral zu formulie-ren. Oft ist auch die Einbeziehung loka-ler Arbeitskräfte eine Bedingung der Vergabe. Sicherlich liegt der Grund dafür auch in Erfahrungen mit chi-nesischen Projekten, die häufi g nur minimale Beschäftigungseffekte gezeigt haben. Planen Sie, in ferneren Ländern auch mittelfristig zu investieren? BIRTEL: Ohne eine Auftragspipe-line lohnt sich eine ständige Landes-präsenz nicht. Wir sind ja kein Seri-enfertiger, der eine Fabrik irgendwo hinstellt und dann laufend produ-ziert. Viele Länder verfügen über keine sichere Pipeline. Wir machen daher Projektgeschäfte, exportieren also ein Stück Bauwerk, bauen für die Zeit eine Niederlassung auf und ziehen uns dann wieder zurück. Das ist kein Drama, sondern ganz normal in diesen Märkten. Mit welchen Finanzierungsge-bern arbeiten Sie aktuell?BIRTEL: Weltbank-Erfahrungen haben wir schwerpunktmäßig in Afrika, die Finanzierung in Kolum-bien wird zum Teil von der Inter-amerikanischen Entwicklungsbank kommen. Wir haben ein großes Projekt in Chile, an dem insge-samt neun Entwicklungsbanken beteiligt sind. Aktuell sind zwei Wasserversorgungsprojekte in Ghana von der Oesterreichischen Kontrollbank fi nanziert. Hier funk-tioniert die Zusammenarbeit sehr gut, ich würde mir manchmal aber ein bisschen mehr Flexibilität bei der Finanzierung wünschen: Gene-rell liegt die Obergrenze bei knapp 10 Mio. Euro – für ein Bauprojekt im Infrastrukturbereich ist das nicht viel. Die Afrikanische Union hat vor kurzem ein 380 Milliarden Euro-Infrastrukturprogramm angekündigt. BIRTEL: Nur weil jemand eine Absicht und einen Geldbetrag arti-kuliert, sehe ich das nicht als den boomenden Markt der Zukunft. Das Nur weil jemand eine Absicht und einen Geldbetrag artikuliert hat, sehe ich das nicht als den boomenden Markt der Zukunft. T. BIRTELcorporAID Magazin Mai | Juni 201808FOTOS: MIHAI M. MITREA, STRABAGTHOMAS BIRTELim GesprächVolumen muss sich erst einmal rea-lisieren. In der Realität wird sich das über eine lange Zeitschiene vertei-len und damit auch fragmentieren. Dazu kommen unsere begrenzten Ressourcen. Die Personalressour-cen, mit denen wir traditionell sol-che Projekte außerhalb Europas bestückt haben, kamen in der Regel aus Österreich und Deutschland. Und da sind wir derzeit dermaßen ausgelastet, dass es heute schon schwerfällt, für Projekte Experten ins exotische Ausland zu schicken. Insofern ist das auch eine Bremse für unser dortiges Wachstum. Wie geht die Strabag mit unter-nehmerischer Verantwortung um?BIRTEL: Wir haben die Corpo-rate Responsibility-Themen in verschiedenen Managementberei-chen verankert und berichten dazu nach dem GRI-Standard. Aktuell haben wir sechs strategische Felder – ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Verantwortung sowie Menschen und Arbeitsplatz, Corporate Governance und Busi-ness Compliance – defi niert, die wir kontinuierlich weiterentwickeln. Wir haben auch eine entsprechende Abteilung – wobei das Institutio-nalisieren für mich eigentlich das Unwichtigste ist. Wichtig ist, dass man diese Haltung in den Konzern hineinträgt und dann in der Breite entsprechend agiert. Und da werden wir jedes Jahr ein bisschen besser. Was ist der Treiber dafür? BIRTEL: Für uns ist Nachhaltigkeit einer von vier Megatrends. Immer-hin haben Gebäude einen viel größ-eren Impact auf die Umwelt als man gemeinhin denkt. Wir spüren, dass unsere Kunden das vermehrt berück-sichtigen. Wir haben schon Aufträge in den Niederlanden bekommen, weil wir ein überzeugendes Nachhal-tigkeitskonzept vorschlagen konn-ten. Eigentlich können Sie heute einen Hochbau, der für institutio-nelle Investoren gedacht ist, ohne ein entsprechendes Nachhaltigkeits-zertifi kat kaum mehr vermarkten. Zudem gibt es einige Analysten und Investoren, die auch von der Kapi-talmarktseite einen entsprechenden Druck ausüben. Wir führen zudem einen Dialog mit allen Stakeholdern. Die Treiber sind also der Reihe nach Auftraggeber, Kapitalmarkt und dann die sonstigen Stakeholder.Was macht ein Unternehmen zukunftsfähig?BIRTEL: Dass man attraktiv ist für gute Mitarbeiter, ist neben einer gewissen fi nanziellen Stabilität das Wichtigste. Heute müssen die Nachwuchsmitarbeiter überzeugt sein, dass sie ein interessantes Auf-gabenfeld vorfi nden. Hier spielt die Digita-lisierung eine immer wichtigere Rolle, denn die ist auch im zweitältes-ten Gewerbe der Welt ange-kommen. Wir haben Werkzeuge, die es ermöglichen, Informationen in Echtzeit zu teilen. Früher war ein Papier-Bauplan quasi Herrschafts-wissen, heute sind Pläne in einer Cloud auf dem aktuellsten Stand für alle immer zugriffsbereit. Sie haben Verantwortung für 70.000 Mitarbeiter – wie lernt man, mit so einer Verantwortung zurecht zu kommen?BIRTEL: Das fällt nicht vom Him-mel. Ich arbeite seit mehr als 20 Jah-ren bei der Strabag, bin 2002 in den Vorstand der Strabag Köln gekom-men, die ungefähr 10.000 Mitarbei-tern hat. 2006 wechselte ich in den Vorstand der Strabag SE, da hatte mein Segment rund 30.000 Mitar-beiter, und seit Mitte 2013 trage ich als CEO die Verantwortung für mehr als 70.000 Mitarbei-ter. Diese kontinuierliche Entwicklung im Unter-nehmen ist für uns ein Prinzip. Sie sehen prak-tisch keine Quereinstei-ger, fast alle Kollegen in Managementfunktionen sind im Unternehmen groß geworden. Vielen Dank für das Gespräch!09Eigentlich können Sie heute einen Hochbau ohne ein entsprechendes Nachhaltigkeitszertifi kat kaum mehr vermarkten.T. BIRTELcorporAID Magazin Mai | Juni 2018Die Strabag SE mit Sitz in Wien ist einer der größten europäischen Baukonzerne. Sie entstand aus der Ilbau und der Strabag, die 1835 in Österreich bzw. 1895 in Deutschland gegründet wurden. Das börsennotierte Unternehmen ist vor allem im Hoch- und Ingenieurbau sowie Verkehrswegebau aktiv und deckt die gesamte Bauwertschöpfungskette ab – vom Entwurf über die Planung und den Bau bis hin zu Betrieb und Abbruch. Neben den Kernmärkten Deutsch-land und Österreich ist der Konzern vor allem in Zentral-und Osteuropa aktiv und realisiert außerdem Projekte in Fernmärkten wie Kanada, Kolumbien, Chile, Indien und Afrika. Mit knapp 73.000 Mitarbeitern erwirtschaftete das Unternehmen im Geschäftsjahr 2017 eine Rekord-leistung von 14,6 Mrd. Euro (+8 Prozent). Die Hauptaktionäre – Familie Haselsteiner, Uniqa/Raiffeisen und Raspera Trading (Oleg Deripaska) – halten mehr als 75 Prozent der Anteile.Europäischer BaurieseZENTRALE in der Wiener Donau CityDAS UNTERNEHMENNext >